02/07/2024 0 Kommentare
NICHT SCHWEIGEN zu sexualisierter Gewalt in der Kirche
NICHT SCHWEIGEN zu sexualisierter Gewalt in der Kirche
# Neuigkeiten
NICHT SCHWEIGEN zu sexualisierter Gewalt in der Kirche
Eine finstere Wolke breitet sich über der evangelischen Kirche in Deutschland aus.
Die am 25.01.2024 veröffentlichte ForuM Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche hat viele Menschen in ihrem Vertrauen zur Kirche erschüttert.
Über Fälle sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie wurde schon häufig berichtet. Die neue Studie zeigt einen dunklen Abgrund auf, den wir nur erahnen können. Tausende Menschen wurden über Jahrzehnte Opfer sexualisierter Gewalt durch Hauptamtliche und Ehrenamtliche; in diakonischen Einrichtungen, in Gemeindehäusern und Pastoraten oder unterwegs auf Reisen.
Oftmals haben kirchenleitende Stellen die Täter lange Zeit gedeckt und den Opfern kein Vertrauen entgegengebracht.
Und dass die Informationen für die aktuelle Studie durch die Landeskirchenämter nicht in verabredetem Umfang geliefert wurden, lässt weitere Zweifel aufkommen: Weiß die evangelische Kirche wirklich, was sie jetzt zu tun hat?
Dies alles ist schwer auszuhalten für die Betroffenen, denen für ihr Leben ein unheilbarer Schaden zugefügt wurde durch Personen, die ihre Vertrauensposition in der Kirche in entsetzlicher Weise missbraucht haben.
Es geht um meine Kirche, für die ich als Pastor stehe. Ich schreibe dies als ein Teil der evangelischen Kirche in Deutschland: Wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Viele Menschen erwarten nichts mehr von einer „Kirche des Wortes“, die keine Taten folgen lässt, wenn es darauf ankommt.
Es fällt leichter, Kerzen für andere zu entzünden als Konflikte in den eigenen Reihen zu bearbeiten.
Eine unserer Schwierigkeiten ist das Selbstbild, das wir als Kirche haben. Wir sehen uns auf der „Seite der Guten“ und bieten gerne Beratung und Hilfe an für Menschen in Notlagen, deren Ursache wir woanders sehen.
Aber dass innerhalb der Kirche Menschen in tiefe Not gebracht wurden/werden, passt nicht zu unseren Glaubenssätzen; wurde immer wieder geleugnet oder vertuscht.
Wie gehen wir mit all dem um als Kirche in Lurup?
Manche denken vielleicht: „Aber in Lurup wird doch so etwas nicht passiert sein“ …?... Ehrlich gesagt: Ich hoffe es.
Alle Menschen, die Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie machen mussten, können sich -auch anonym- an die Unabhängige Anssprechstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt (UNA) wenden (Telefon 0800 022 0099; una@wendepunkt-ev.de).
Ein erster Schritt innerhalb unserer Institution als Kirchengemeinden in Lurup ist die Entwicklung von Schutzkonzepten zur Prävention sexualisierter Gewalt, um sensibel für grenzverletzendes und übergriffiges Verhalten zu sein und Vorkehrungen zu treffen, um Möglichkeiten für sexuellen Missbrauch zu verhindern.
Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit müssen wir darauf richten, dass Erfahrungen von Gemeinschaft, Vertrauen und Nähe, die in besonderer Weise in der Kirche gesucht werden -gerade von jungen Menschen- sich nicht zu Fallen entwickeln können, indem potenzielle sexuelle Täter dies ausnutzen könnten.
Auch unser Reden von Gott und unsere gottesdienstlichen Formen müssen wir in diesem Zusammenhang hinterfragen.
Es ist ein weites Spektrum dauerhafter Aufgaben für uns als Kirche.
Zukunftweisend leuchten mir zwischen dieser erschreckenden Studie zwei Dinge hervor:
Zuerst ist da der Mut der tief verwundeten und traumatisierten Betroffenen, nicht mehr zu schweigen. Sie haben Worte gefunden, über das Furchtbare, das ihnen angetan wurde zu sprechen. Sie haben den Anfang gemacht. Das verdient großen Respekt. Das soll andere ermutigen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, nicht mehr zu schweigen. Und es kann uns in der Kirche inspirieren, über das zu sprechen, was uns bewegt angesichts dieser perfiden Gewalt; über unser Erschrecken und auch unsere Hilflosigkeit.
Als Zweites: Diese Studie kann einen richtungweisenden Schub bewirken, die Kirche als Teil der Zivilgesellschaft aufzustellen: Kooperativ und bereit, uns daran messen zu lassen, wie wir als Kirche zum Wohlergehen aller Menschen beitragen in unserem Stadtteil wie im ganzen Land.
Da liegt noch ein weiter Weg vor uns.
Herzlich Martin Goetz-Schuirmann,
Pastor in der evangelischen Kirche in Lurup
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